Solothurn, die Wichtige.

Solothurn kennt kein Januarloch. Im Gegenteil: Mitte Monat blüht die Stadt so richtig auf. Wird gar zum Hotspot der Schweiz. Jedenfalls der filmischen Schweiz. Die Solothurner Filmtage gehören mit Sicherheit zu den Event-Höhepunkten des Jahres. Auch für mich. Zu dieser Zeit gilt ein No-Go für Reisen und ein No-Go für grosse Verpflichtungen. Ab 19. Januar bleibe ich hier, bleibe ich flexibel. Und geniesse in vollen Zügen, dass meine Stadt fremder und das Strassenbild chaotischer wird, dass ein anderer Wind weht, dass die Restaurants überfüllt und schlicht und einfach einem neuen Rhythmus verfallen sind. So müssen sie auch sein, diese Kult-Anlässe, die ganze Regionen schweizweit in den Mittelpunkt rücken und nicht zuletzt nachhaltig Werbung machen.

Klar, die Solothurner Filmtage sind nicht für alle. Den Filmen fehlt oft das kommerzielle Happyend, der offensichtliche Glam, die absehbare Story. Gut so. Umso mehr brillieren die Werke mit aussergewöhnlichen Inhalten, überraschenden Schauspielern, mutigen Regisseuren und noch mutigeren Produzenten. Und genau das macht den Schweizer Film und die Solothurner Filmtage aus: Sie sind anders, stehen für Individualität. Und sie ziehen die Besucherinnen und Besucher in ihren Bann. Es scheint gar, als würden sie das Publikum toleranter, geduldiger und harmonischer stimmen. Warten auf ein Ticket, auf ein Essen, auf den nächsten Filmblock – Warten ist an den Filmtagen kein Reizthema, vielmehr kommunikativ wertvoll. Und wenn ich nach eben diesem Warten in einem der Filme sitze, auf einem recht unbequemen Stuhl, mit eingeschränkter Sicht und mich trotzdem riesig auf die Uraufführung freue, dann bin ich im Filmtagefieber. Getrieben, einen Filmblock nach dem anderen zu sehen, keinen viel zitierten Film zu verpassen und möglichst dann im Publikum zu sitzen, wenn die Filmemacher und Protagonisten gemeinsam auf der Bühne diskutieren. Dann sind die Filmtage einmal mehr grossartig. Dann toleriere ich, dass mich ein Filminhalt möglicherweise verwirrt, manchmal beschämt oder schlicht nicht interessiert. Die Solothurner Filmtage werden zum Lebensgefühl, zur Auszeit in der eigenen Stadt. Und sollte ein potenzielles Filmtage-Werk noch vor «Solothurn» bei iTunes erhältlich sein, bleibe ich stark, lade den Film nicht herunter und warte geduldig, bis ich ihn im Landhaus, der Reithalle, im Canva oder einem anderen Austragungsort der Solothurner Filmtage sehen kann. Mal ehrlich, wir sind doch alle ziemlich stolz, dass Solothurn Ende Januar so wichtig ist.

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